Flächendeckendes Tempo 30 auf fast allen Hauptstrassen in Zürich 7 und 8

Erläuterungen von Marc Bourgeois, Kantonsrat, und Nepomuk Batzer, Gemeinderatskandidat

Die eidgenössische Verkehrsregelverordnung hält in Artikel 4a, Absatz 1, fest: «Die allgemeine Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge beträgt unter günstigen Strassen‑, Verkehrs- und Sichtverhältnissen 50 km/h in Ortschaften». So weit, so klar. Nur kümmert sich die Stadt Zürich bekanntlich nur dort um übergeordnetes Recht, wo es ihr gerade in den Kram passt, oder wo sie Geld abholen kann.

Am 14. Dezember nun zündete der Stadtrat in seiner Vergraulungsorgie gegen den Individual- und Gewerbeverkehr die nächste Stufe und veröffentlichte seinen sogenannten «Geschwindigkeitsplan». Wobei diese Bezeichnung an Euphemismus kaum zu überbieten ist, handelt es sich doch vielmehr um einen «Langsamkeitsplan», der notabene auch den ÖV trifft. Denn obwohl die NZZ daraufhin titelte «Flächendeckendes Tempo 30 vom Tisch», wird in den Stadtkreisen 7 und 8 – und eigentlich in der ganzen Stadt – flächendeckendes Tempo 30 eingeführt. Dass die Bevölkerung im Jahr 2001 mit 79.7 Prozent Nein zu generell Tempo 30 innerorts gesagt hat, kümmert die Stadt Zürich nicht weiter.

Hier eine Auflistung der Strassen – mehrheitlich Hauptstrassen -, auf denen in den nächsten Jahren Tempo 30 eingeführt werden soll:

Fluntern: Bergstrasse, Gladbachstrasse, Gloriastrasse, Kraftstrasse, Krähenbühlstrasse, Toblerstrasse, Rämistrasse (Raum Hochschulen), Tobelhofstrasse, Schneckenmannstrasse, Keltenstrasse

Hottingen: Asylstrasse, Bergstrasse, Klosbachstrasse, Zeltweg, Merkurstrasse

Witikon: Witikonerstrasse (teils nur nachts), Katzenschwanzstrasse (ausser im Wald)

Hirslanden: Forchstrasse (nur nachts), Witellikerstrasse, Lenggstrasse

Riesbach: Utoquai, Seefeldstrasse (nur nachts), Höschgasse, Hammerstrasse, Neumünsterstrasse, Kreuzstrasse, Falkenstrasse, Zollikerstrasse (wo nicht schon T30)

Es handelt sich dabei mehrheitlich um von den kantonalen Autofahrern finanzierte Strassen, auf denen eigentlich der Kanton das Sagen hätte.

Die eingangs zitierte Verkehrsregelverordnung gilt damit in Zürich 7 und 8 nur noch auf der Bellerivestrasse uneingeschränkt. In anderen Quartieren ist Ähnliches geplant. Wobei teils auch geprüft wird, wie der ÖV weiterhin mit Tempo 50 lärmen kann, während der Individualverkehr auf derselben Strasse zu Tempo 30 verdonnert wird. Womit auch allen klar sein dürfte, dass es hier entgegen der offiziellen Begründung nicht darum geht, Lärm zu reduzieren. Sondern darum, die Bevölkerung zu erziehen.

Ein weiterer unerwünschter Effekt, welcher der Entscheid des Stadtrates mit sich bringt, ist die Verlagerung des Individualverkehrs von den Hauptachsen auf die Quartierstrassen. Denn wenn auf den Hauptachsen die gleiche Höchstgeschwindigkeit gilt wie in den Quartierstrassen, sinkt natürlich auch der Anreiz, sich auf den Hauptachsen aufzuhalten und es kommt zu Ausweichverkehr, welcher zwangsläufig zu einer höheren Lärmbelastung der Wohnquartiere führen wird.

Überzogene Erwartungen zur Lärmreduktion sollten denn auch nicht gehegt werden. Stadt und Kanton haben im Jahr 2020 auf mehreren Strecken gemessen, wie sich Tempo 30 tatsächlich auswirkt. Die gemessene Lärmreduktion lag tagsüber im Schnitt bei minus 1.46 Dezibel, nachts bei minus 1.98 Dezibel. Also weit unter den 3 Dezibel, mit denen die Stadt Zürich die Einführung von Tempo 30 auf Hauptachsen rechtfertigt. Zum Vergleich: Für Halbierung des Schalldrucks bräuchte es ganze 10 Dezibel weniger. Was bedeuten diese Messwerte für das Lärmempfinden? Die wahrgenommene Lautheit, gemessen in «Son», sinkt um lediglich 10 bis 13 Prozent. Der Preis hierfür: Wer aufgrund der städtischen Mobilitätsbehinderung täglich zweimal fünf Minuten verliert, verliert pro Jahr gut 60 Stunden Lebenszeit. Das entspricht 1.5 Arbeitswochen pro Jahr. Oder, auf das Erwerbsleben gerechnet, mehr als ein Arbeitsjahr. Dagegen wirkt das Gezänk um Rentenalter 65 schon fast niedlich.

Eine wesentlich wirkungsvollere Variante wäre der Einbau von sogenannten Flüsterbelägen. Mit fortschreitender Abnützung sinkt der Lärmdämmungseffekt zwar, aber gemäss dem Bundesamt für Umwelt ist er immer noch ungefähr doppelt so hoch wie die Reduktion der Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h. In der Stadt Zürich wurden bisher aber erst 5.7 Kilometer dieses Belags verbaut.

Wer nun denkt, das alles betreffe einen nicht, man könne ja auch etwas schneller fahren, sei gewarnt: Wer auf einer Tempo 30-Strasse irrtümlich Tempo 50 fährt – etwa, weil dort Tempo 30 nur nachts gilt – , und dabei kurz mal Tempo 51 fährt, wird mit ungefähr 600 Franken gebüsst und verliert zusätzlich den Fahrausweis für mindestens einen Monat.